Vor 50 Jahren schafften die Griechen die Monarchie ab
Veröffentlicht: Sonntag, 08.12.2024 07:00
Adel
Athen (dpa) - In anderen Ländern gelten Königshäuser vielen Menschen als verbindendes Element zwischen Politik und Volk, als liebgewonnene Tradition und zuverlässiger Lieferant für Pomp und Skandale. Nicht so in Griechenland: Dort schafften die Bürger ihre Royals heute vor 50 Jahren kurzerhand per Volksentscheid ab - am 8.12.1974 sprachen sich in einer Volksabstimmung 69 Prozent für die Abschaffung der Monarchie aus.
Nur zwei Könige blieben im kollektiven Gedächtnis positiv besetzt: Der bayerische König Otto von Wittelsbach, der erste König von Griechenland – und Fußballtrainer Otto Rehhagel, der nach dem griechischen Erfolg bei der Fußball-EM 2004 den Beinamen «König Otto» erhielt. Waren die Griechen als Erfinder der Demokratie tatsächlich royal unregierbar? Oder hatten sie einfach nichts für Adel übrig?
Bayerische Beamte in Athen
Sicher ist: Für Königshäuser gab es in Griechenland keine Geschichte und Tradition. Es waren vielmehr die Großmächte Russland, Großbritannien und Frankreich, die nach der Unabhängigkeit Griechenlands vom Osmanischen Reich entschieden, dem Land einen König zu verpassen. Die Wahl fiel auf den Wittelsbacher Prinzen Otto von Bayern - er nahm 1832 als Regent von Gottes Gnaden die Herrschaft auf, die sich bald als Sisyphusarbeit erweisen sollte.
Der junge König begann voller Elan: Das Chaos, dass in Griechenland nach dem Unabhängigkeitskrieg herrschte, wollte er mit Fachleuten aus der Heimat bekämpfen. In seiner Entourage fanden sich Beamte, Ökonomen, Militärs, Gesundheitsexperten und Architekten.
Proteste gegen Steuern und Vorschriften
Otto bleibt damit als derjenige in positiver Erinnerung, der die Grundlage für den modernen griechischen Staat legte. Von seiner Gestaltungskraft zeugen bis heute nicht nur Krankenhäuser und Universitäten, sondern auch Prachtstraßen und imposante neoklassizistische Bauten im Athener Stadtzentrum. Doch seine einstigen Untertanen dankten es ihm nicht - sie wehrten sich so hartnäckig gegen das neue Staatswesen samt seiner Vorschriften und Steuern, dass der König sich 1843 gezwungen sah, die parlamentarische Demokratie einzuführen.
Schließlich musste Otto wegen wiederholter Aufstände im Volk abdanken und zog desillusioniert zurück nach Bayern. Erneut machten sich die Großmächte auf die Suche nach einem passenden Regenten für Hellas. Im dänischen Haus Glücksburg wurde man fündig: Dort konnte Prinz Wilhelm gewonnen werden, der als Georg I. von Griechenland in die Geschichte einging.
Obwohl sein Wappen zwei Herkules-Figuren und den Wahlspruch «Meine Stärke ist die Liebe des Volkes» trug, obwohl er sich volksnah gab, Griechisch lernte und stolze 50 Jahre lang regierte, konnte auch Georg I. die Volksseele nicht gewinnen. Zwar gab es während seiner Amtszeit große militärische Erfolge, doch der Druck der Bevölkerung hielt an. Schließlich wurde Georg I. ermordet. Über die Motive des Täters wurde nichts bekannt, da er bei seiner Befragung auf der Polizeiwache aus dem Fenster in den Tod sprang.
Tödlicher Affenbiss
Auch weitere Sprösslinge aus dem Hause Glücksburg blieben in der Folge glücklos: Konstantin I. musste abdanken, weil er beim Ersten Weltkrieg Partei für Deutschland ergriffen hatte. Sein Sohn und Nachfolger, König Alexander, wurde beim Spaziergang im Garten des königlichen Sommerpalasts von einem Affen gebissen und erlag daraufhin einer Blutvergiftung. Also übernahm dessen Bruder als König Georg II. die schwierigen Amtsgeschäfte. Als er 1947 eines natürlichen Todes starb, kam der nächste Bruder an die Reihe - König Paul. Er bewarb Griechenland als touristische Destination, indem er sämtliche europäischen Königshäuser zu einer 14-tägigen Kreuzfahrt einlud.
Putschisten geadelt
Während all dieser Jahre und der Wirren des Ersten und Zweiten Weltkrieges hatte sich die griechische Bevölkerung in Royalisten, Republikaner und Linke gespalten. Die Kritik an der Monarchie eskalierte schließlich während der Regentschaft des letzten griechischen Königs, Konstantin II. Der nur 24 Jahre alte Adelige verscherzte es sich sofort mit der amtierenden Regierung, weil er die Kontrolle über die Streitkräfte für sich beanspruchte.
1967 kam es dann zum royalen Fehler: Nach dem erfolgreichen Putsch des Militärs ließ Konstantin II. sich gemeinsam mit der Führungsriege der Militärjunta fotografieren. Das Bild wurde international kritisiert - es hieß, der König habe die Putschisten mit seiner Anwesenheit geadelt und legitimiert.
Staatsbegräbnis verwehrt
Konstantin II. konnte den fatalen Fehler nie wieder gut machen, auch nicht mit einem dilettantisch ausgeführten Gegenputsch, den Historiker noch heute als «operettenhaft» bezeichnen. Für Gespött sorgte außerdem Jahre später Konstantins Aussage in Interviews, man könne seinem grimmigen Gesicht auf dem umstrittenen Foto seine Missbilligung der Putschisten ablesen - er habe der Aufnahme nur zugestimmt, um Blutvergießen zu verhindern.
Und so schlug mit dem Ende des Militärregimes 1974 auch die letzte Stunde der griechischen Monarchie. Die neu gewählte Regierung wollte den Einfluss der Könige endgültig klären. Bei der anschließenden Volksabstimmung votierten fast 70 Prozent der Griechen gegen das Königshaus und schafften somit die Monarchie ab. Bis in die 90er Jahre lebte Konstantin daraufhin im ausländischen Exil. Später kam er wieder nach Griechenland, wo er schließlich 2023 starb. Ein Staatsbegräbnis wurde ihm verwehrt.
Klatsch und Tratsch werden importiert
Den Griechen fehlt die Monarchie bis heute nicht, obwohl es mit Konstantins ältestem Sohn, dem 57-jährigen Paul, sogar einen potenziellen Nachfolger gäbe. Pauls Haltung ist bekannt: Als König würde er nur antreten, wenn sich das griechische Volk umentscheidet, hat er wiederholt mitgeteilt.
Das aber scheint nicht in Aussicht zu stehen, und so läuft Paul bei einer Google-Suche nach «Paul von Griechenland» im Netz lediglich als «Internetpersönlichkeit». Royale Eskapaden und Skandale verfolgen die Griechen stattdessen als Importware, nämlich in Berichten über das schwedische, spanische und britische Königshaus.
Immerhin: 2023 wurden rein zufällig die Insignien von König Otto bei Bauarbeiten im königlichen Sommerpalast Tatoi nahe Athen entdeckt. Krone, Zepter und Schwert werden nun restauriert und sollen künftig im griechischen Parlament ausgestellt werden - dem einstigen Palast von König Otto am zentralen Athener Syntagma-Platz.